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Montag, 5. Dezember 2011

Kapitel 1



Ich schüttelte die deprimierenden Gedanken ab und machte mich auf den Heimweg. Wieder einmal bestaunte ich die Landschaft, die hier so anders wirkt als die hohen Mauern londons. Und doch sah sie im Herbst, so anders aus als im Frühling. Die farbigen Blätter die vom Winde getragen werden, ersetzen den blumigen Duft der Blumenzeit. Die schreienden Kinder haben sich in die halb zerfallenen Häuser zurückgezogen. Die Männer kamen von der Arbeit von den Kürbisfeldern zurück und wurden von ihren Frauen überschwänglich begrüsst. Nun erklang freudiges Kinderlachen aus den Höfen. Nur bei uns nicht. Zu Hause sass Vater am Tisch und starrte auf seine halb volle Weinflasche. Ein Seufzer entwich mir, doch mein Vater schaute nicht mal auf. Da noch kein Abendbrot bereit stand, wollte ich die Suppe von gestern aufwärmen. Aber das Feuer war beinahe erloschen und wir hatten kein Feuerholz mehr im Haus. Also machte ich mich auf den Weg nach Draussen in die Kälte. Hinter dem Hof, in der Nähe vom Stall, lagerten wir das Holz. Nun, konnte ich genauso gut, schnell die Tiere füttern. Hafer für das Pferd, Heu für die zwei Kühe und noch ein bisschen Reste von gestern, für die beiden Schweine. Jetzt ging die Sonne endgültig unter. In vollkommener Dunkelheit, holte ich das Brennholz und eilte zurück ins Haus.



Kurz darauf wurde der ganze Raum vom warmen Licht des Feuers erhellt. Als die Suppe zu köcheln begann, nahm ich sie vom Feuer, goss sie in zwei hölzerne Schalen und nahm die einzigen zwei Löffel hervor, die wir noch besassen. Die Öllampen, die ich vorher angemacht hatte, flackerten nun im stillen vor sich hin. Die Suppe hatte den faden Geschmack von Kürbissen, obwohl sie nicht mehr ganz frisch waren. Wie immer herrschte Stille während der Mahlzeit. Vater starrte immer noch vor sich hin, obwohl seine Augen diesmal dem Dampf seiner Brühe folgten und nicht mehr das halb volle Glas fixierten. Während er seine Suppe langsam in sich hinein löffelte, machten sich meine Gedanken wieder selbständig.



Diesmal waren sie jedoch nicht so deprimierend wie vor dem Sonnenuntergang. Sie wanderten nur wieder einmal zu dem Jungen, den ich am Dorfbrunnen gesehen habe. Seine Augen erinnerten mich an den Regen, der schon bald wieder in Strömen kommen müsste. Für die Jahreszeit war es viel zu trocken und zu warm. Auf den Feldern dörrten die Kürbisse vor sich hin. Während mein Hirngespinst wieder zurück zu dem Jungen mit den funkelnden grauen Augen zurückschweifte, erbeutete mein Vater die nächste Weinflasche und machte sich damit auf in seine Kammer. Immer noch in meine Grübeleien vertieft, machte ich mich daran das Essgeschirr abzuwaschen. Noch während ich vor unserer Haustür am Trog stand, hörte ich näherkommende Hufschläge. Das Geräusch kam in rasendem Tempo näher und das Pferd blieb ruckartig vor dem Haus stehen. Der Reiter stieg ab, würdigte mich keines Blickes und verlangte meinen Vater zu sehen. „Natürlich.“, sagte ich und lächelte höflich. Während ich zurück ins Haus eilte, hörte ich Vater auch schon die Tür seines Gemachs öffnen. „Vater, hier ist ein Bote, der Euch sprechen möchte“, erklärte ich ihm. Er lief bereits in Richtung des Eingangs. „Geh auf deine Kammer, Emilie!“, murmelte er in seinem angetrunkenen Zustand. „Das hier geht dich nichts an.“ Gewiss, würde ich jetzt nicht einfach so verschwinden! Ich folgte ihm, im Abstand einiger Augenblicke und legte mein Ohr an die geschlossene Tür, hinter der sich die beiden Männer befanden. „…Herzog von Cambridge hat sein Einverständnis gegeben, was die Hochzeit mit Miss O’Neill betrifft.“, verkündete der Fremde. Ein leiser Schrei entwich mir und ich sank gegen die Wand. Meine Knie drohten nachzugeben. Als mein Vater zu einer Antwort ansetze, sprang ich auf und rannte aus dem Haus. Völlig aufgewühlt kam ich beim Brunnen an. Ich liess mich auf die Brunnenmauer sinken und konnte die Tränen nicht mehr zurückhalten. Nachdem ich mich wieder ein wenig beruhigt hatte, erklang hinter mir plötzlich eine warme Stimme. „Geht es dir gut?“ Ich zuckte erschrocken zusammen und drehte mich um. Dann sah ich sein Gesicht, erhellt vom flackernden Kerzenschein. Er beugte sich zu mir runter und strich mir mit dem Daumen die Tränen von den Wangen. „Jaa … denke … ich, ich glaube schon“, murmelte ich stockend um einen weiteren Schluchzer zu unterdrücken. Er setze sich neben mich. „Du siehst aber nicht so aus“, sagte der Junge mit einem Lächeln in der Stimme. Ich drehte mich zu ihm und sah sein charmantes Lächeln. Nun musste ich ebenfalls ein bisschen lächeln. „Du bist Emilie, richtig?“ Ich schaute ihn verwundert an und erwiderte mit einem Nicken: „Richtig, und wer bist du?“ Da änderte sich sein Lächeln in ein verschlagenes Grinsen. „Nun ja, ich bin, versprich mir aber nicht zu lachen, Louis“, erläuterte er. Ich hatte keine Ahnung, wieso er sagte, dass ich nicht lachen soll, denn der Name war wunderschön und passte perfekt zu ihm. „Sagst du mir, warum du so erschüttert warst?“, fragte er vorsichtig. Sollte ich es ihm erzählen? Aus irgendeinem Grund, wollte ich und doch wusste ich nicht ob ich es tun sollte. Ich presste die Lippen aufeinander und sah ihm dann in seine wundervollen grauen Augen. Und da beschloss ich es ihm zu erzählen. „Mein Vater hat beschlossen, dass ich heiraten werde“, sagte ich mit fester Stimme.

Sobald, die Worte meinen Mund verliessen, herrschte Schweigen. Kein peinliches, oder gar ein ängstliches Schweigen. Nein, es war ein kaltes Schweigen. Und sein Blick änderte von liebevoll, zu ungläubig und dann zu entsetzen. Dann klappte sein Mund auf und er liess ihn einfach so. Vollkommen starr sass er da und bewegte sich keinen Millimeter. Nur seinen Atem hörte ich noch. Seine Kerze flackerte im Wind und dann erlosch sie. Nun waren wir in völliger Dunkelheit gefangen. Einzig die leuchtenden Augen einer scheuen Katze blickten uns an. Da bewegte er sich wieder. Er zog ein Schwefelhölzchen aus seiner Tasche und zündete die Kerze wieder an. Vom Licht erschrocken, wich die Katze wieder zurück ins Unterholz und verschwand lautlos. Nun, sah er mich an und sein Gesicht flackerte im Kerzenlicht gespenstisch. Seine Augen wirkten leer und die freudigen Funken, die ich immer wieder gesehen habe, waren wie weggeblasen. Nun wurden sie von einer Traurigkeit ersetzt, die ich noch nie bei jemandem gesehen habe. Nicht mal, bei Vater als er meine Mutter, und meinen Bruder, Gott segne sie beide, verlor. Damals waren seine Augen einfach nur noch leer und heute sind sie von einem glasigen Schimmer überzogen. Aber was Louis angeht. Es erschreckte mich und ich wich augenblicklich zurück. Doch in diesem Moment, als ich von ihm zurück wich, sagte er etwas. „Nun, das überrascht mich. Aber, wenn das so ist, dann muss ich mich verabschieden. Du solltest wieder zurückgehen, dein Vater wartet sicher schon sehnlichst auf dich. Auch muss ich mich entschuldigen. Ich wollte dich nicht belästigen, es war nur… Aber so ist es auch gut. Eine wunderschöne und glückliche Zukunft wünsch ich dir. Dein Verlobter kann sich glücklich schätzen.“, waren seine Worte. Nachdem er sie ausgesprochen hatte, sprang er auf und lief im Dunkeln zurück zu seinem Hof. Die Kerze ging in seiner Hasst wieder aus und er liess sie auch so. Ich blieb zurück und weinte wieder. Diesmal waren es leise Schluchzer, die mein Körper von sich gab und doch blieb ich auf dem kalten Brunnenrand sitzen. Da hörte ich ein leises, fast aufmunterndes Miauen und wusste, dass die Katze zurück gekommen war. Sie sprang auf meinen Schoss und schmiegte sich an mich. Sie war so weich und wohl genährt für die Jahreszeit, dass ich sie einfach streicheln musste. Ich machte mir keine Gedanken über eine Krankheit, die sie haben konnte oder gar über Flöhe. Ich kraulte sie einfach immer weiter und beruhigte mich während dem immer mehr. Und während es mir immer besser ging, merkte ich, dass sie dicker war als andere Katzen. Sie war besser genährt, aber trotzdem, sie war dicker, viel dicker, fast schon als ob sie trächtig wäre. Und da merkte ich es endgültig. Ich spürte es, eine Bewegung in ihrem Bauch. Ein kleiner Tritt. Vollkommen fasziniert von der Bewegung, legte ich meine Hand auf meinen Magen und stellte mir vor, dass da drin ein Kind heranwachsen würde. Dummerweise dachte ich an ein Kind von Louis und mir, nicht an ein Baby vom Herzog und mir. Und da wusste ich, wenn ich noch lange hier Draussen bleiben würde, dann kämen mir nur wieder Tränen.



Also machte ich mich auf den Weg nach Hause. Die Katze, ich hatte sie inzwischen Missy genannt, nahm ich mit. Vor der Tür blieb ich stehen und atmete noch einmal tief durch. Dann öffnete ich sie mit einem Ruck. Dahinter stand Vater mit dem Boten und schaute mich fragend an. „Ich war nur frische Luft schnappen“, erklärte ich ihnen. Jetzt nur keinen Fehler machen, dachte ich. Missy, die ich immer noch auf dem Arm hielt, wurde langsam unruhig und ich liess sie zu Boden. Schnell verschwand sie, auf direktem Weg in meine Kammer. Während ich ihr nachschaute, verabschiedete Vater den Boten. Er schien es eilig zu haben, ihn loszuwerden. Als der Bote auf seinem Pferd sass, richtete er das Wort nochmal an mich. „Sie haben grosses Glück. Nicht jeder der mal Oben war, nach Unten fiel, kommt wieder nach Oben. Aber bei Ihrer Schönheit ist das, wahrlich kein Wunder. Auf Wiedersehen meine Hübsche.“, äusserte er sich. Mit einer angedeuteten Verbeugung ritt er endgültig davon. Vater zog mich ins Haus hinein und verlangte sofort eine Erklärung, wegen der Katze. „Falls du meinst, mir ist das Vieh nicht aufgefallen, dann täuscht du dich. Es ist mir sehr wohl aufgefallen und verlässt auf der Stelle meinen Hof!“ schrie er mich an. Während er mich anschnauzte, kam sie wieder aus meiner Kammer. Ich konnte mich ihm nicht wiedersetzen und doch konnte ich sie auch nicht wieder raus in die Kälte lassen. „Aber Vater, sie ist trächtig. Man kann sie jetzt doch nicht raus in die Kälte lassen. Kann sie nicht wenigsten eine Nacht hier bleiben?“, fragte ich ihn vorsichtig. Nun, hörte ich lange Zeit nichts mehr. Die Minuten verstrichen und wir schauten uns an. Unsere Augen führten einen kleinen Kampf und schlussendlich gab er nach. „Wusstest du noch, dass du dir als kleines Mädchen immer eine Katze gewünscht hast?“ fragte er mich. „Nein, ich muss wohl noch sehr klein gewesen sein, sonst wüsste ich es sicher noch.“, erwiderte ich und überlegte fieberhaft, ob mir nicht doch noch etwas aus der Zeit vor der Pest einfiel. „Wir haben dir damals gesagt, dass du ein Pferd haben könntest, aber du wolltest nur eine Katze. Die hast du aber nie bekommen. Deine Mutter vertrug die Haare nicht. Als wir bei deinem Onkel waren, musste sie die ganze Zeit niessen. Deshalb hast du damals keine bekommen. Aber wenn du willst, können wir sie behalten.“, erzählte er weiter. Zuerst glaubte ich es nicht. „Wirklich Vater?“ fragte ich mit einer Stimme die am liebsten gleich loskreischen und ihm um den Hals fallen würde. Aber natürlich konnte ich das nicht. Ich riss mich also zusammen und schaute ihn erwartungsvoll an. „Ja, wirklich, du hast recht. Sie ist trächtig, deshalb kann sie bleiben. Ich werde jetzt auch nicht mehr weiter diskutieren. Mein Kopf brummt von den Flaschen, die ich heute getrunken habe. Vielleicht sollte ich damit aufhören. Auf jeden Fall ziehe ich mich nun zurück. Eine angenehme Nacht wünsch ich dir.“, meinte er. Dann lief er schwankend los und verschwand in seiner Kammer unter dem Dach.