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Montag, 16. Januar 2012

Kapitel 3



Die Woche verging wie im Flug, dachte ich, während ich die Wäsche zusammenlegte. „Emilie“, wurde ich von Vater aus meinen Gedanken gerissen. „Komm doch bitte, mit deiner gepackten Tasche, runter“, redete er weiter. „Ich komme gleich zu Ihnen runter, Vater“, erwiderte ich ihm. Während ich noch meine letzten Habseligkeiten zusammen packte, wanderten meine Gedanken schon wieder weiter zu meinem Zukünftigen. Wie er wohl war? Liebevoll oder doch grausam und brutal? Plötzlich kam Missy zu mir. Sie schmiegte sich an mein Bein und ich nahm sie zu mir hoch. Während ich mit ihr in der einen Hand und der Tasche in der anderen Hand, die Treppe runter ging, hörte ich Vater mit einer mir bereits bekannten Stimme diskutieren. „Hören Sie, sie kann die Katze nicht mitnehmen. Der  Herzog mag keine Katzen. Also tun Sie mir den Gefallen und lassen Sie sie da“, erklärte der Bote. Mein Vater wollte gerade zu einer Antwort ansetzen, als er mich sah. Sein Blick war traurig und er gab die Diskussion wohl auf. Der Bote drehte sich nun zu mir um. Als er mich sah, mit Missy auf meinen Arm, wurde sein ernster Blick weich. Seine Augen verloren an Härte und er sagte zu mir: „Steigen Sie in die Kutsche. Ihre Katze können wir leider nicht mitnehmen. Der Herzog erwartet Sie morgen.“ Während sich in meinen Augen Tränen sammelten, wurde sein Blick nochmal viel weicher. Er musste tief in sich drin, ein guter Mensch sein, dachte ich. Vater zog mich sanft nach draussen. Dort erwarteten mich Louis und Abby. Während Abby mich sanft in ihre Arme zog und mir dann vorsichtig Missy wegnahm, gab Louis mir ein kleines Päckchen. Es war in wunderschönen Blättern eingewickelt. „Danke“, sagte ich ihm mit Tränen in den Augen. Als ich mich Abby zuwandte, lächelte sie mich an. Auch sie hatte Tränen in den Augen. Meine kleine Katze schmiegte sich nun an sie und begann zu schnurren. In diesem Moment begriff ich, dass ich Missy ihr anvertrauen konnte. „Könntest du auf sie aufpassen?“, fragte ich mit einer viel zu zittrigen Stimme. Sie nickte nur, ihren Tränen hatte sie in der Zwischenzeit freien Lauf gelassen. Während ich sie zum Abschied nochmal umarmte, steckte sie mir einen kleinen Zettel, in die löchrige Manteltasche. Ich strich Missy nochmal über den Kopf,  warf Louis einen letzten sehnsuchtsvollen Blick zu, in den ich alle meine Gefühle für ihn legte und stieg schweren herzens ein. Vater folgte mir und der Bote stieg vorne auf den Platz des Kutschers. Während wir holpernd davon fuhren, liefen mir die Tränen über die Wangen. Vor Louis konnte ich mich noch davor Bewahren los zu weinen, doch nun kamen sie einfach. Vater strich mir langsam über den Rücken, während ich immer wieder Missy’s Namen schluchzte.

Nachdem ich mich wieder einigermassen unter Kontrolle hatte, wanderten meine Gedanken zurück an den Tag, an dem ich den Kürbiskuchen backte. Louis kam am Abend, wie abgemacht, kurz vor Sonnenuntergang vorbei. Ich wollte ihm ein Stück Kuchen abschneiden, doch statt in den Kuchen, schnitt ich mir in den Finger. Er war sofort bei mir und drückte mir ein Tuch, auf den blutigen Finger. So nah, wie in diesem Moment, waren wir uns noch nie. Ich wusste nicht, wie lange wir so dagestanden haben, doch er liess viel zu schnell wieder von mir ab. Mein Finger hatte aufgehört zu bluten und er bot mir an, den Kuchen zu schneiden, so dass ich mich nicht nochmal schnitt. Ich setzte mich also hin und er reichte mir mein Stück. Als er sich ebenfalls gesetzt hatte, probierte er ein bisschen. Er schaute mich an und sagte zuerst nichts. Als ich ihn immer noch erwartungsvoll anschaute verhaspelte er sich beim Sprechen: „Also der Kuchen ist wirklich super… ich meine er ist wirklich gut… eigentlich ist es der beste Kuchen den ich je gegessen habe.“ Sein Lob machte mich Stolz und meine Wangen wurden augenblicklich rot. „Danke“, erwiderte ich ziemlich verlegen. Er lachte nur noch mehr. Sein Lachen war wunderschön und ansteckend. Nach ein paar Sekunden, in denen wir uns in die Augen geschaut haben, fingen wir beide lauthals an zu lachen. Bei dem Gedanken daran musste ich lächeln. Als mir dann wieder einfiel was danach geschah, wurde mein Lächeln nur noch grösser. Während wir lachten, sind wir immer näher zusammen gerückt. Schlussendlich waren wir uns wieder so nah, wie vorher als ich mir in den Finger geschnitten hatte. Diesmal rückte er nicht von meiner Seite. Er war sich meiner Nähe zuerst gar nicht bewusst, bis wir hinter uns ein Räuspern hörten. Er liess mich auf der Stelle los und verschwand schnell ans andere Ende der Küche. Als ich mich umdrehte, sah ich Abby im Eingang stehen. Sie musste sich zusammenreissen, um nicht laut los zu prusten. Ihr Gesicht lief langsam rot an und sie schien förmlich zu explodieren. „Ich wollte euch nicht erschrecken und auch nicht stören.“, brach sie unter Lachen hervor. Ich schaute zu Louis. Er schien sichtlich verwirrt von ihrer Gestalt. Ich lief auf ihn zu und zog ihn sanft zu ihr. „Louis das ist Abby, Abby das ist Louis“, stellte ich sie einander vor. Sie schaute ihn nur an und flüsterte mir dann zu: „Seine Augen, die sind wirklich aussergewöhnlich.“ Ich nickte ihr nur zu.

Während ich an diese Szene dachte, schossen mir schon wieder die Tränen in die Augen. Vater schaute mich fragend an. Ich schüttelte nur den Kopf und versuchte nicht mehr an letzte Woche zu denken. Ich kuschelte mich in meinen Mantel und versuchte zu schlafen. Während ich meine Hände in die Manteltaschen steckte, bemerkte ich den kleinen Zettel von Abby wieder. Ich nahm mir vor, ihn in einer ruhigen Minute zu lesen. Während ich in an die wunderschöne Zeit mit Abby dachte, fielen meine Augen langsam zu.

Ich wachte durch ein sanftes Rütteln an meiner Schulter auf. Die gleichmässige Bewegung stoppte, als er sah, dass ich langsam wach wurde. Als ich meine Augen öffnete, sah ich in die sanften Augen meines Vaters. „Emilie, du musst aufwachen. In einer guten halben Stunde sind wir da.“, sagte er mir. Als ich mir den Schlaf aus den Augen rieb, bemerkte ich, dass das Päckchen von Louis aus meiner Tasche gefallen ist. Ich steckte es schnell wieder rein, so dass es ziemlich weit unter meiner Kleidung verborgen blieb. Vater beobachtete mich schweigend. Er sagte nichts, als ich mich wieder zurück lehnte und ihn fragend anschaute. Die halbe Stunde verging wie im Flug. Als die Kutsche langsamer wurde, zog ich die Vorhänge vor dem Fenster auf und schaute auf das mir altbekannte London. Die Häuser waren wieder neu gebaut worden, so dass man vom Feuer nichts mehr bemerkte. Mein Blick wanderte zu Vater, der gespannt aus dem Kutschenfenster sah. Sein Gesicht veränderte sich von Minute zu Minute. Zuerst spiegelte es Überraschung, dann Verwunderung, Vorfreude und zum Schluss Stolz wider. Der Stolz blieb und ich wunderte mich, wieso er so stolz war. Ich meinte, er war sicher nicht stolz auf mich. Vielleicht auf sich selbst? Auf jeden Fall hielt die Kutsche nun vor einem wunderschönen Garten an. Der Bote öffnete die Türe und Vater ging raus. Ich packte meine Sachen wieder ein und schaute nochmal nach, dass ich auch alles wieder eingepackt hatte. Vater reichte mir die Hand und ich stieg aus der Kutsche.

Ich liess meinen Blick kurz durch die Umgebung schweifen und lächelte dann. Es sah ganz hübsch aus. Es hatte ein paar grosse Wiesen und Beete, wo es im Frühling und im Sommer bestimmt Blumen gab. Aber dann fiel mir wieder ein, warum ich hier war, und das wischte mir das Lächeln sofort aus dem Gesicht. Ich seufzte kurz und folgte dann meinem Vater. Ich hatte ja keine Wahl.  Der Dienstbote zeigte zuerst meinem Vater und dann mir den Weg zu unseren Gemächer. Ich betrachtete das Haus von innen und es erinnerte mich an so viele Kindertage, wo ich mit meinem Bruder in einem ähnlichen Haus gespielt hatte. Und später an Festen meiner Familie teilgenommen hatte. Aber das lag nun doch schon eine Weile zurück. Der Dienstbote öffnete eine Tür und liess mich eintreten, bevor er mir folgte. „Eure Gemächer Miss“, sagte er. „Man wird Sie in etwa einer Stunde für das Abendmahl abholen, es steht eine Wanne mit warmem Wasser bereit und im Schrank hat es Kleider. Wenn Ihr Hilfe beim Ankleiden braucht, zögert nicht uns zu rufen.“ Er deutete bei seinen letzen Worten auf  eine beinahe winzige Glocke an der Wand. Ich nickte und bedankte mich kurz. Als er gegangen war, eilte ich zu der Wanne und liess mich kurz darauf in das warme Wasser gleiten. Ich hatte schon ewig kein Bad mehr genommen und es war einfach nur herrlich im warmen Wasser zu sein und sich zu entspannen.

Während ich in dem warmen Wasser lag, wünschte ich mir, dass Missy jetzt bei mir sein könnte. Ihr schwarzes Fell und der dicke Bauch, mit den Kleinen drin. Ich musste Abby einen Brief zukommen lassen. Hoffentlich schreibt sie mir, wenn die Kleinen auf der Welt sind. Als ich an Abby’s Lachen dachte, kam mir der Brief wieder in den Sinn. So schnell es ging, sprang ich aus der warmen Wanne. Das Wasser schwappte über den Rand und der Boden wurde rutschig. Ich schnappte mir das Handtuch, wickelte mich ein und ging aus dem Waschraum. Meine Sachen lagen immer noch auf dem Boden. Ich nahm den Mantel und langte in die Tasche. Sobald ich den Brief zu fassen bekam, liess ich den Mantel fallen und setzte mich aufs Bett. Wie weich es war. Mit zittrigen Händen faltete ich es langsam auseinander.

Liebe Emilie

Ich hoffe, dass es dir beim Herzog gefällt. Wir werden dich besuchen kommen.

Ob es deinem Herzog gefällt, wissen wir nicht. Aber wir wissen, dass wir dich sehr vermissen werden, besonders Louis. Er hat gesagt, ich soll dir ganz liebe Grüsse ausrichten.  Da ich mir gedacht habe, dass du mir Missy überlässt, falls du das nicht getan hast, wird das hier ganz schön peinlich, verspreche ich dir, dass ich mich ganz gut um sie kümmern werde. Ihre Jungen werden bald das Licht der Welt erblicken. Ich lasse dir eine Nachricht zukommen, wenn sie da sind.

In Liebe, deine Freundin Abby

Während des Lesens, kamen mir die Tränen. Sie tropften, auf das ohnehin schon sehr dünne Papier und die Tinte zerfloss. Nur mit Mühe konnte man die Wörter jetzt lesen. Doch das war mir egal. Neben meinem Bett stand eine kleine Kommode mit einem Schubfach darin. Ich zog es auf und legte den Brief vorsichtig hinein. Während ich mir mein Gemach genauer anschaute, kam mir Louis Geschenk wieder in den Sinn. Als ich meine Manteltaschen durchsuchte, merkte ich, dass es nicht hier war. Wo war sein Geschenk? Hat Vater es mitgenommen? Oder war es mir in der Kutsche aus der Tasche gefallen? Ich suchte verzweifelt weiter, als es an der Tür klopfte. „Emilie“, hörte ich Vaters Stimme. Er machte die Tür auf und kam rein. Ich sprang in mein Bett und kroch unter die Decke. „Was machst du in deinem Bett“, fragte er mich. „Ich habe nur ein Tuch um mich gewickelt, Vater. Was wollen Sie denn von mir?“, erkundigte ich mich. „Ich wollte dir das hier geben.“ Er streckte mir seine Hand entgegen, in der Louis Päckchen lag. Voller Freude nahm ich es und bedankte mich herzlich bei ihm. „Wo ist es denn gewesen, Vater? Vielen Dank, nochmal.“ „Es lag in der Kutsche auf dem Boden, mein Kind. Ich dachte mir, nimm es doch mit und bring es ihr. Ich hoffe, dass nichts kaputt gegangen ist.“ Erzählte er mir. „Ich lass dich nun wieder alleine. Der Diener kommt dich bald holen.“ Er ging raus und ich kroch ein bisschen unter der schweren Decke hervor. Langsam löste ich die Blätter und legte sie auf mein Kissen. Louis Geschenk war schwer und ich fragte mich was wohl da drin sei. Als ich alle Blätter entfernt hatte, erblickte ich einen kleinen Kürbis. Er sah dem sehr ähnlich, den ich schon mal bekommen hatte. Neben dem Kürbis lag noch ein kleiner Zettel auf dem stand;

Damit du dich immer an mich und deine Küche erinnerst.

Wer den Zettel so lesen würde, hätte keine Ahnung, um was es ging, doch ich wusste was Louis meinte. Ich legte den Zettel mit den Blättern zu dem Brief von Abby. Den Kürbis stellte ich auf die kleine Fläche oberhalb der Schublade.

Etwas später wartete ich angezogen darauf, dass man mich abholte. Ich hatte ein dunkelblaues Kleid, das an der Taille gerafft war, aus dem bereits bestückten Schrank, ausgesucht. Der Brief von Louis lag wieder in meiner Hand und ich musterte ihn die ganze Zeit. Jedoch klopfte es bald darauf an der Tür und nachdem ich „Herein“, gerufen hatte, trat eine Dienstmagd in den Raum. „Miss, ich soll Sie ins Esszimmer bringen und noch schnell Ihre Masse fürs Hochzeitskleid nehmen“, sagte sie leise. Ich musterte sie kurz und lächelte sie dann freundlich an, weil ich gerade nicht wusste was ich tun sollte. „Natürlich“, erwiderte ich und stand auf. Sie kam mit einem Massband zu mir und fing an meine Taille zu messen. Durch das Korsett war das eigentlich unmöglich, die richtigen Masse zu nehmen, aber die Magd erledigte das im Handumdrehen. Sie schrieb alles, auf einen kleinen Zettel und fügte immer noch ein paar Zentimeter dazu. Nach der Taille folgte die Hüfte und zum Schluss noch meine Oberweite. Das Ganze dauerte ca. fünf Minuten, danach ging sie zur Tür hinaus und deutete mir, ihr zu folgen. Sie führte mich durch unendlich viele, verschiedene Flure und klopfte dann endlich an eine Tür. Plötzlich wurde mir flau im Magen. Wie sollte ich mich nun verhalten? Aber ich hatte leider keine Zeit mehr darüber nachzudenken, denn die Magd hatte bereits die Tür geöffnet und war zur Seite getreten, um mir den Vortritt zu lassen. Ich ging die paar Schritte an ihr vorbei und blieb dann wieder stehen. Mein Vater war bereits da und unterhielt sich mit einem Mann. War das der Herzog? Er wirkte viel zu jung dafür. Mein Vater lächelte mich an und sagte: „Setz dich zu uns, Emilie.“ Ich tat wie mir geheissen und mein Vater deutete dann auf den anderen Mann und erklärte weiter. „Das hier ist der Herzog von Cambridge.“ Ich versuchte ihn höflich anzulächeln und hoffte nur, dass es mir auch gelang. Er erwiderte mein Lächeln ebenso zögernd. „Es tut mir leid, dass meine Mutter heute nicht anwesend sein kann. Sie residiert zurzeit in Cambridge. Ich wollte Sie aber in London empfangen.“ Nun lächelte er meinen Vater entschuldigend an. Er kam nicht dazu mehr zu sagen, denn gerade in dem Moment wurde die Tür erneut geöffnet und das Essen wurde aufgetragen. Während des ganzen Mahls war es angenehm ruhig. Der Herzog schien ein recht stiller Mensch zu sein. Vielleicht war er aber auch nur schüchtern. Das Essen war köstlich. Ich kam trotz all meiner Hemmungen nicht darum herum es zu geniessen. Nach der Mahlzeit begangen Vater und der Herzog, der wie ich nun wusste Niklas hiess, über Dinge wie den Krieg zu reden und da mich das nicht interessierte und ich auch nichts dazu sagen sollte, schwieg ich. Etwas später entschuldigte er sich, weil er angeblich noch etwas dringendes zu tun hatte, so dass sich nur noch mein Vater und ich im Raum befanden. „Ich werde mich jetzt ebenfalls zurückziehen, “, sagte ich, “denn ich bin mir sicher, dass morgen ein anstrengender Tag sein wird.“ Vater nickte nur und ich verliess den Raum. Ein Glück, dass ich mich noch an den Weg in meine Gemächer erinnerte, so dass ich kurz darauf wieder in meinem Zimmer war. Rasch zog ich das Kleid aus und streifte das seidene Nachthemd über, das bereits auf dem Bett lag. Ich löschte alle Kerzen im Raum und bald darauf erhellte nur noch die Glut des Feuers das Zimmer. Ich war viel zu müde um mir gross Gedanken über den Tag zu machen. Noch immer sass mir die weite Reise in den Knochen, so dass ich sofort in einen tiefen traumlosen Schlaf fiel.